So lieber Leser, zuerst erkläre ich dir kurz die zwei verschiedenen Dehnungsformen. Beim statischen Dehnen wird eine Dehnungsposition eingenommen und für etwa 30 Sekunden, ohne Bewegung (statisch), gehalten. Der Unterschied zum dynamischen Dehnen, liegt nun darin, die Endposition federnd mit Bewegung zu verbinden. Nachfedern hielt man lange Zeit für ungünstig, ja sogar für schädlich. Doch warum? Das erkläre ich dir anhand eines Beispiels.
Die hintere Oberschenkelmuskulatur (in Fachkreisen kurz die "Ischies") verläuft über das Knie und die Hüfte. Etwas vereinfacht haben die Ischies zwei Funktionen. Sie können in der Hüfte strecken und im Knie beugen. Möchtest du nun deine Ischies dehnen, musst du bei gestreckten Knien im Hüftgelenk beugen. Wenn du das tust, spürst du ein Ziehen in den "Ischies". Doch nicht nur da, oder?
Nun ging man ja davon aus, daß man nur die Muskulatur dehnt. Und wenn dem so wäre, könnten wippende Bewegungen eine reflektorische Gegenspannung im Muskel erzeugen. Kontraproduktiv für Dehnungen. Doch eigentlich fand ich das schon immer unlogisch. Jeder kennt das. Nehmen wir mal den normalen Langsitz, d.h. du sitzt mit gestreckten Beinen auf dem Boden. Wenn du jetzt den Oberkörper nach vorne beugst, fängt es an hinten in den Beinen zu ziehen. Wenn du jetzt aber noch die Fußspitzen mit hochziehst, schmerzt es deutlich mehr. Es gibt aber keinen Muskel, der von der Hüfte bis zu den Füßen verläuft. Nimmst du jetzt auch noch den Kopf nach vorne, spürst du die gesamte Körperrückseite. Durch den vor geneigten Kopf, verstärkst du sogar das Ziehen in den hinteren Oberschenkeln. Wenn ich in der Physio-Ausbildung die Dozenten gefragt habe, wie man sich das erklärt, kam da immer nur: "Äähm, das ist wohl das Nervensystem und ähhh d-das Gewebe und...und... wir müssen jetzt mal weitermachen?!?!"
Tatsächlich gab es damals keine schlüssigen Erklärungsmodelle. Nun ist klar, was du da spürst und was du de facto hauptsächlich dehnst. Dein mit Nervenfasern und Sinnesrezeptoren prall gefülltes Fasziensystem! Und da deine Faszien im Bewegungsapparat primär für die Dynamik und nicht für die Statik zuständig sind, wollen sie auch dynamisches Dehnen!
So lieber Leser, was dynamisches Dehnen ist, wurde ja eigentlich schon geklärt. Doch auf einiges möchte ich noch eingehen.
Das klassische dynamische Dehnen ist immer mit federnden Impulsen in der maximalen Dehnstellung. Doch meist werden die federnden Bewegungen als langsam rhythmisch beschrieben. Dadurch wird, erfahrungsgemäß, aus dem Federn, leicht eine geführte Bewegung. Meiner Meinung nach, muss man aber, um optimale Effekte zu erzielen, die natürlichen Eigenschaften unserer "Supergummibänder" nutzen und fördern. Wenn du z.B. im Stand, mit gestreckten Beinen, deine Finger oder die ganze Hand auf den Boden bekommen möchtest, nutze das Gewicht deiner Arme und deines Oberkörpers für das dynamische Dehnen aus und federe kraftvoll nach unten. In welchem Rhythmus du federst und wie groß die Federbewegung ist, werden dir deine Faszien mitteilen. Denn das ist individuell. Du wirst ein Gefühl dafür entwickeln. Natürlich solltest du dabei keine Schmerzen haben, aber ein ordentliches ziehen ist normal. Du kannst ruhig kräftig und auch zügig federn, denn das ist, meiner Meinung nach, der Stimulus, den unsere Faszien brauchen, um ihre Strukturen anzupassen. Gesunde Faszien verleihen dir explosive, flexible Dynamik. Du wirst dich wundern, wie schnell du die ersten Erfolge siehst. Wahrscheinlich durch gelöste Verklebungen. Denn die Gesundung des Fasziengewebes dauert Monate bis Jahre. Das bedeutet, daß du selbst nach Jahren noch Fortschritte beim dynamischen Dehnen sehen wirst! ERGO: Immer dranbleiben!!
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